Das Cynefin-Modell – Entscheidungsfindung für agile Führungskräfte

Cynefin-Modell

Eine der größten Herausforderungen für Führungskräfte ist die regelmäßige Notwendigkeit, Probleme zu lösen. Beinahe täglich entstehen Situationen, in denen Probleme gelöst werden müssen – ob es dabei um Herausforderungen innerhalb von Kundenprojekten geht oder um interne Probleme von Mitarbeiter:innen. Den einen Weg, mit diesen Herausforderungen umzugehen, gibt es aufgrund unserer komplexen Arbeitswelt schon lange nicht mehr. Eine Hilfestellung zur Entscheidungsfindung bietet das Cynefin-Modell von Dave Snowden. Wir erklären heute, was es mit diesem Modell auf sich hat, wie es funktioniert und wie es Führungskräften den Arbeitsalltag erleichtern kann.

  • Eine Definition – was ist das Cynefin-Modell?
  • Die Cynefin Matrix – so sieht das Framework konkret aus
  • Das Cynefin-Modell im aktuellen Arbeitsumfeld
  • Was Unternehmen aus dem Cynefin-Modell lernen können
  • Orientierung und ein Leitfaden durch das Cynefin-Framework

Eine Definition – was ist das Cynefin-Modell?

Das Cynefin-Modell, auch Cynefin-Framework genannt, soll bei der Lösungsfindung für Probleme unterschiedlicher Art helfen. Dazu werden Probleme in unterschiedliche Systeme eingeteilt. Je nach System gibt es unterschiedliche Ansätze, um dieses Problem verstehen und im Anschluss lösen zu können. Entwickelt wurde dieses Modell im Jahr 2000 von Dave Snowden, der ursprünglich Mitarbeiter bei IBM war. Es wurde inzwischen mehrmals überarbeitet, zum Beispiel wurden die Namen der Systeme überarbeitet oder weiterentwickelt.

Kurz zusammengefasst besteht das Cynefin-Modell aus einer Matrix aus vier Systemen, die unterschiedliche Anforderungen und Lösungsmöglichkeiten mit sich bringen. Kann dieses System nicht bestimmt werden, sprechen wir von einer Störung. Diese Systeme gibt es:

  • einfache Systeme
  • komplizierte Systeme
  • komplexe Systeme
  • chaotische Systeme

Während wir in einfachen und komplizierten Systemen eine gewisse Grundordnung finden können, fehlt es den komplexen und chaotischen Systemen an dieser Ordnung. Um das zu erkennen, spielt vor allem das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung eine wichtige Rolle. Wie sich die einzelnen Systeme erkennen lassen und wie ihre Optionen für eine Lösung aussehen, erklären wir jetzt im Detail.

Prozessoptimierung

Die Cynefin Matrix – so sieht das Framework konkret aus

Einfache Systeme (Simple)

Die einfachen Systeme werden auch als clear, obvious oder known bezeichnet. Der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung ist eindeutig und schnell zu erkennen. Gleichzeitig gibt es nur wenige Informationen, die berücksichtigt werden müssen und nur wenige Variablen, die sich in einer Ursache-Wirkung-Beziehung befinden. In der Regel können wir einfache Systeme erkennen und bewerten, indem wir sie uns ansehen und unsere persönlichen Erfahrungen zu Rate ziehen. So können wir zuverlässig definieren, wie dieses System funktioniert.

Um mit diesem System zu arbeiten und eine Lösung zu finden, können wir meist auf Best Practices zurückgreifen – mit einfachen Systemen haben sich bereits viele Menschen vor uns beschäftigt. Deshalb gibt es oft Anleitungen oder Checklisten, an denen wir uns orientieren können. Das Wissen kann auch unkompliziert von einer zur anderen Person weitergegeben werden. Somit können beispielsweise mehrere Mitarbeiter:innen gleichzeitig an diesen Systemen arbeiten. Soll eine Aufgabe in einem einfachen System schneller oder häufiger erledigt werden, können einfach mehr Arbeitskräfte dafür eingesetzt werden.

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Sie haben auch noch Probleme mit der Entscheidungsfindung?

Gerne erkläre ich Ihnen noch weitere Details des Cynefin-Modells und helfe Ihnen, Entscheidungen leichter zu fällen.

Komplexe Systeme (Complex)

In einem komplexen System fehlt es an den linearen Zusammenhängen zwischen Ursache und Wirkung, die es bei einfachen und komplizierten Systemen gibt. Vielmehr gibt es immer noch viele Informationen und Variablen, die wir berücksichtigen müssen, um in einem solchen System zu arbeiten. Die vielen Variablen beeinflussen sich gegenseitig auf unterschiedliche Art und machen es dadurch nahezu unmöglich, Entwicklungen konkret vorauszusagen oder einen Plan zu erstellen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Selbst wenn wir bereits Erfahrungen mit einem ähnlichen System haben, können wir nicht voraussagen, wie dieses konkrete System sich verhalten wird.

Um Lösungen für ein komplexes System zu finden, benötigt es nicht zwangsläufig Expert:innen – in vielen Fällen wird nach dem Learning by Doing Prinzip gearbeitet. Wir testen Lösungswege und analysieren ihre Wirkung auf das Problem. Anhand dessen können wir diese Strategie immer weiter anpassen. Ziel ist es, das große Problem in mehrere kleine Probleme aufzuteilen, die im besten Fall nur noch kompliziert sind. Dann ist es möglich, diese kleinen Probleme durch Expert:innen lösen zu lassen.

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Chaotische Systeme (Chaotic)

Ein chaotisches System wird vom Zufall getrieben. Es ist nicht möglich, Entwicklungen oder Veränderungen vorherzusagen. Es gibt unzählige Informationen und Variablen, die sich gegenseitig beeinflussen und das System schnell verändern, sodass keine Zeit bleibt, diese neuen Entwicklungen zu analysieren. Als Steigerung gegenüber einem komplexem System fehlt es hier vor allem an Zeit. Wir haben keine Zeit, Ideen zu testen und Muster durch Ausprobieren zu erkennen.

Die einzige Möglichkeit, chaotische Systeme zu lösen, ist durch schnelles Handeln – ein Try and Error Prinzip. Ziel ist es, das System zu entschleunigen und zu stabilisieren. Sobald das möglich war, versuchen wir, das chaotische System zu einem komplexen System herunterzubrechen. Von dort aus kann das System dann mit mehr Ruhe analysiert und in komplizierte Systeme eingeteilt werden.

Beispiele für chaotische Systeme:

  • Krisen wie die Corona-Pandemie
  • Unvorhersehbare Ereignisse wie 9/11
  • Insolvente Unternehmen, in denen die Aufgabenverteilung unklar ist

Die Strategie für die Arbeit mit diesen Systemen nennt sich laut Snowden A-S-R: Act, Sense, Respond – Handeln, Wahrnehmen, Reagieren.

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Nachhaltige Führung

Das Cynefin-Modell im aktuellen Arbeitsumfeld

Unsere Arbeitswelt wird immer komplexer und vernetzter. Jobs sind immer häufiger abstrakt und erfordern gut ausgeprägte Fähigkeiten zur Problemlösung. Das Cynefin-Modell soll in dieser Arbeitswelt Orientierung geben und Fach- und Führungskräften dabei helfen, Entscheidungen treffen und Probleme lösen zu können. Im klassischen Arbeitsumfeld sehen Mitarbeiter:innen sich laut Umfragen vor allem mit einfachen Systemen konfrontiert – Führungskräfte hingegen größtenteils mit komplizierten Systemen. Gleichzeitig gibt es jedoch besonders für diese Systeme bereits Lösungsansätze, die in vielen Unternehmen Anwendung finden.

Einfache Systeme durch Digitalisierung lösen

Bei einfachen Systemen handelt es sich in der Regel um Probleme, die keine weitere Analyse benötigen und immer nach dem gleichen Schema abgearbeitet werden können. Die Digitalisierung bietet uns schon seit Jahren die Möglichkeit, in diesem Feld Fortschritte zu machen: Einfache Systeme können in vielen Fällen bereits automatisiert werden. Gerade in der Produktion ist es immer häufiger möglich, Prozesse zu automatisieren und Maschinen so zu programmieren, dass sie nach festgelegten Best Practices arbeiten und einfache Systeme so eigenständig lösen können. Auch komplizierte Systeme können teilweise bereits durch digitale Transformationen analysiert und bearbeitet werden. Solange es lineare Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung gibt, können automatisierte Prozesse zu einer schnelleren Lösung beitragen.

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Was Unternehmen aus dem Cynefin-Modell lernen können

Führungskräfte müssen mindestens die Fähigkeit mitbringen, komplexe Systeme lösen zu können. Was im ersten Moment nach einer abstrakten Aussage klingt, lässt sich schnell im richtigen Kontext erklären: Häufig befördern Unternehmen Mitarbeiter:innen, die in ihrem Gebiet als Expert:innen gelten und fachlich ausgezeichnete Arbeit leisten. In vielen Fällen fehlt es jedoch an der nötigen Ausbildung zur Führungskraft. Das Cynefin Framework zeigt schnell, warum hier Probleme vorprogrammiert sind. Wer in einer Expertenrolle agiert, beschäftigt sich hauptsächlich mit komplizierten Systemen: die nötige Ausbildung ist vorhanden und die Erfahrung hat mit den Jahren dabei geholfen, diese Probleme schneller und effektiver zu lösen. Wird ein:e solche:r Expert:in jetzt aber zur Führungskraft befördert, wird er oder sie sich immer mehr mit komplexen Systemen konfrontiert sehen. Komplexe Systeme lassen sich jedoch nicht mehr durch reines Expertenwissen lösen. Vielmehr wird hier die Fähigkeit gefordert, Annahmen treffen und sie testen zu können.

Ein konkretes Beispiel: Ein Entwicklungsingenieur arbeitet bei einem Automobilhersteller und befasst sich mit der Weiterentwicklung der Batteriesysteme für Elektroautos. Aufgrund seines Expertenstatus wird er zur Führungskraft befördert und soll jetzt in wichtige Entscheidungen zur zukünftigen Ausrichtung des Unternehmens eingebunden werden.

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Leadership

Orientierung und ein Leitfaden durch das Cynefin-Framework

Das Cynefin-Modell gibt vor allem einen Rahmen, an dem sich Fach- und Führungskräfte bei der Lösung von Problemen und der Bewertung von Situationen orientieren können. Es hilft, Probleme besser zu verstehen und schneller den passenden Lösungsweg zu finden. Wer feststellen kann, dass er sich mit einem einfachen System befasst, kann entsprechend nach Best Practices suchen, wer sich mit einem komplizierten System konfrontiert sieht, kann sich eine entsprechende Expertenmeinung einholen. Wurde ein komplexes System definiert, kann eine strategische Beratung helfen sowie der Einsatz agiler Methoden wie SCRUM. Hier wird jedoch auch schnell klar, dass agile Methoden nicht die Lösung für alle Probleme sind. Wer als agile Führungskraft in einem Unternehmen arbeitet, sollte sich immer die Frage stellen: In welcher Art von System befinden meine Mitarbeiter:innen sich aktuell und welche Unterstützung hilft ihnen am meisten, um eigenständig Lösungen finden zu können? So sorgt das Cynefin-Framework dafür, dass sowohl Fach- als auch Führungskräfte sich intensiv mit einem Problem auseinandersetzen, bevor sie Hals über Kopf an einer Lösung arbeiten.